Osnabrück (ots) –
Gemeinsame Presseerklärung der Staatsanwaltschaft Osnabrück, der Bundespolizei und der Polizei Osnabrück
Im Kampf gegen die internationale Schleusungskriminalität ist Justiz- und Polizeibehörden gestern (05.07.22) ein großer Coup gelungen. Bei einem staatenübergreifenden Großeinsatz in Deutschland, Frankreich, Belgien, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich konnten insgesamt 39 mutmaßliche Schleuser bzw. Unterstützer festgenommen und 52 Objekte durchsucht werden. Die Beschuldigten werden verdächtigt, als Mitglieder eines der führenden kriminellen Netzwerke im Bereich des Migrantenschmuggels in den letzten 12 bis 18 Monaten bis zu 10.000 Menschen, mit Schlauchbooten über den Ärmelkanal geschmuggelt zu haben. Die Operation richtete sich auch gegen die Köpfe des Netzwerks wie auch gegen die mutmaßlich illegal erlangten Gelder. Die konzertierte Gemeinschaftsaktion wurde durch Eurojust und Europol koordiniert.
Allein in Deutschland nahm die Polizei aufgrund der engen Zusammenarbeit der Gemeinsamen Ermittlungsgruppe „GEG Elise“, bestehend aus Bundespolizei und Polizei Osnabrück, unter Leitung der Staatsanwaltschaft Osnabrück, im Wege der Rechtshilfe für die belgischen und französischen Behörden 18 Personen fest und durchsuchte 36 Objekte. Die Festnahmen erfolgten größtenteils unter Zuhilfenahme von Spezialkräften der Polizei. Die 18 beschuldigten Männer im Alter von 22 bis 54 Jahren befinden sich entweder bereits in Untersuchungshaft oder sollen zeitnah dem Haftrichter vorgeführt werden. Bei den Durchsuchungen in Deutschland konnten zahlreiche Beweisgegenstände, darunter 119 Schlauchboote, 33 Bootsmotoren, 966 Schwimmwesten, 64 Mobiltelefone/Tablets und rund 27.000 Euro Bargeld sichergestellt werden.
Über 900 Einsatzkräfte von Bundespolizei und Polizei Niedersachsen, insbesondere der Polizeidirektion Osnabrück, sowie weiterer Landespolizeien waren in den vier betroffenen Bundesländern Niedersachsen, Bremen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg den gestrigen Tag über im Einsatz. Darüber hinaus waren benachbarte Behörden und Organisationen, wie z.B. das Technische Hilfswerk, unterstützend tätig.
Bernard Südbeck (Leitender Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Osnabrück): „Den Tätern im Bereich der Schleusungskriminalität geht es nicht um das Wohl und die Sicherheit der verzweifelten Menschen, die sie befördern, sondern die Maximierung des eigenen Profits um jeden Preis. Dieser skrupellosen Ausbeutung von notleidenden und hilfesuchenden Menschen muss der Rechtsstaat entschieden entgegentreten. Die Schleusungskriminalität macht an Ländergrenzen nicht halt. Deshalb muss dies auch für die Strafverfolgung gelten. Ich bin hoch erfreut, dass den Justiz- und Polizeibehörden mit diesem grenzübergreifenden Einsatz, bei dem die Staatsanwaltschaft Osnabrück für Deutschland eine führende Rolle übernommen hat, ein massiver Schlag gegen ein großes Schleusernetzwerk gelungen ist.“
Präsident Przybyla, Bundespolizeidirektion Hannover: „Das ist ein bedeutender Erfolg im Kampf gegen die internationale Schleusungskriminalität. Durch intensive Ermittlungen mit unseren Partnern aus Deutschland, den Niederlanden, Belgien, Frankreich und Großbritannien wurde bei den heutigen polizeilichen Maßnahmen ein kriminelles Netzwerk zerschlagen, das sich am Schicksal von Flüchtlingen persönlich bereichert und den Tod von Menschen skrupellos in Kauf genommen hat. Die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Bundespolizei und Landespolizei hat maßgeblich zum Einsatzerfolg beigetragen.“
Michael Maßmann, Präsident der Polizeidirektion Osnabrück: „Ein Polizeieinsatz in dieser Größenordnung ist für uns schon etwas Besonderes. Das kommt nicht allzu oft vor. Umso mehr freut es mich, dass diese europaweite Aktion sehr erfolgreich verlaufen ist und den Kriminellen, die die Not der Hilfesuchenden schamlos ausnutzen, das Handwerk gelegt wurde. Ein guter Tag für den Rechtsstaat und die Schutzsuchenden.
Die in Deutschland Festgenommenen stehen im Verdacht, an der gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusung von Ausländern beteiligt gewesen zu sein. Aufgrund der intensiven Ermittlungen der „GEG Elise“ und Erkenntnissen aus den ausländischen Ermittlungsverfahren besteht der Verdacht, dass die Beschuldigten als Mitglieder einer international vernetzten irakisch-kurdisch geprägten Schleusergruppierung an Boots-schleusungen von schleusungswilligen Drittausländern von Frankreich und Belgien über den Ärmelkanal in das Vereinigte Königreich tatbeteiligt sind. Die Täter hatten die logistische Aufgabe, Schlauchboote und weiteres nautisches Material zu beschaffen, einzulagern und in der Folge unter der Beteiligung von weiteren Schleusern mittels Kraftfahrzeugen an die französische und belgische Nordseeküste zu verbringen. Das professionell agierende kriminelle Netzwerk konnte nach mehrmonatiger Ermittlungsarbeit mit dem gestrigen groß angelegten Aktionstag der Polizei und Justiz zerschlagen werden – ein großer Erfolg nicht zuletzt dank der engen Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft Osnabrück, der Bundespolizei und der Polizei Osnabrück.
Im Laufe der Ermittlungen wurden u.a. zwölf Transporte von nautischem Material mittels Kraftfahrzeugen aus zwei Lagerstätten in Hannover und Bielefeld nach Belgien und Frankreich festgestellt. Die weiteren Ermittlungen führten zur Lokalisierung von Lagerstätten für nautisches Material in Osnabrück, Lotte, Hannover und Bielefeld. Es gelang den Ermittlerinnen und Ermittlern, in Belgien und Frankreich aufgrund der durch die deutschen Behörden zur Verfügung gestellten Informationen den Transport von nautischem Material in Form von elf Schlauchbooten, 12 Außenbordmotoren, 19 Betriebsstoffkanistern, über 307 Rettungswesten sowie eines Bootstanks zur Nutzung für Seewegschleusungen über den Ärmelkanal in das Vereinigte Königreich zu verhindern. Insgesamt 18 Fahrzeuginsassen der genutzten Transportfahrzeuge wurden festgenommen.
Die mutmaßliche Schleusergruppierung sollen auch im Zusammenhang mit einem versuchten Tötungsdelikt am 13. November 2021 in Osnabrück stehen, bei dem ein irakischer Staatsangehöriger durch eine Schusswaffe mit mehreren Schüssen in den Unterkörper schwer verletzt wurde. Mittlerweile schwebt das Opfer nicht mehr in Lebensgefahr und ist aus dem Krankenhaus entlassen worden. Es besteht der Verdacht, dass es sich dabei um einen Racheakt handelte, nachdem zuvor eines der Mitglieder des Schmugglernetzwerks im September 2021 in einem Flüchtlingslager in Frankreich durch einen Schuss verletzt worden war.
Hintergrund:
Die GEG „Elise“ ermittelt seit Mitte Januar 2022 unter der Leitung der Staatsanwaltschaft Osnabrück und unter Beteiligung der Bundespolizeiinspektion Kriminalitätsbekämpfung Hamburg, Bundespolizeiinspektion Kriminalitätsbekämpfung Köln, Bundespolizeiinspektion Bad Bentheim sowie der Polizeiinspektion Osnabrück und der Zentralen Kriminalinspektion Osnabrück gegen mehrere irakische Staatsangehörige wegen des Verdachts der gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusung von Ausländern.
Eurojust richtete für den sogenannten Common Action Day (CAD) am 5. Juli ein Koordinierungszentrum in Den Haag ein, um eine schnelle Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Justizbehörden zu ermöglichen. Die Agentur veranstaltete vier Koordinierungssitzungen, um die justizielle Zusammenarbeit und die Vorbereitung des gemeinsamen Aktionstages zu erleichtern. Europol unterstützte die Operation, indem es den Informationsaustausch erleichterte, operative Sitzungen organisierte und analytische Unterstützung leistete.
Die erfolgreiche europaweite Aktion zeigt eindrucksvoll, dass gute Ermittlungsergebnisse insbesondere durch länderübergreifende Zusammenarbeit und einen intensiven Informationsaustausch erzielt werden können, was für die Bekämpfung dieser wachsenden Form des Menschenhandels unerlässlich ist. Der Zustrom von Migranten in die Europäische Union wird von entwürdigenden Praktiken des Menschenschmuggels begleitet. Menschenschmuggler sind oft in internationalen kriminellen Organisationen tätig und ihre Aktivitäten gefährden Menschenleben. Die riskanten Seeüberfahrten und Transits führen regelmäßig zu Opfern.
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